Tribut des Frettchens

Ein kleines Frettchen lebt in einem liebevoll schiefen Häuschen mit knarzenden Holzdielen, dem Duft nach Hagebuttentee und Plätzchen. Draußen summen die Bienen, auf dem Tisch im wilden Garten steht ein feines Gedeck. Die Sonne wärmt die Wildblumen – es ist ein schöner Tag.

Aber das Frettchen hat keine Zeit. Es rennt hin und her, trägt schwere Beutel, balanciert Nüsse und Früchte bis zur Nasenspitze, verschwindet im Häuschen, wuselt darin umher. Licht an, Licht aus, Treppauf, treppab. Ohne Pause. Als würde jemand kommen.

Auf einem nahen Baum sitzt eine Eule. Sie beobachtet das Treiben – und fragt schließlich:

„He! Bekommst du Besuch?“

Das Frettchen bemerkt sie erst beim zweiten Mal, hält inne, atmet kurz – und antwortet:

„Nein, aber… es muss doch alles vorbereitet sein. Alles fein, alles stimmig! Man muss doch spüren, dass ich mich kümmere – ganz ohne Worte. Dann weiß der Besuch, dass ich es gut meine.“

Die Eule schaut eine Weile, dann sagt sie ruhig:

„Aber wenn du keinen Besuch bekommst – für wen tust du das dann?“

Das Frettchen zögert.

„Na… falls jemand kommt. Dann habe ich alles richtig gemacht.“

Die Eule erwidert:

„Du tust so, als wäre es Pflicht. Aber es ist doch erschöpfend, nicht wahr?“

Das Frettchen senkt den Kopf.

„Ja. Es kostet alles, was ich bin.“

Die Eule spricht nun leiser, aber bestimmt:

„Du musst niemandem etwas beweisen. Du musst nichts deuten, nichts ahnen, nichts vorwegnehmen. Und vor allem: Du musst dich nicht um das Seelenheil eines unsichtbaren Gastes kümmern. Stell dir vor, jemand würde das für dich tun – würdest du das wollen?“

Das Frettchen schaut auf, die Augen groß.

„Nein… das würde ich niemals wollen. Da bliebe ja gar nichts mehr übrig von ihm.“

Die Eule nickt.

„So ist es. Wer es gut mit dir meint, erwartet nichts von dir. Er wird nicht prüfen, nicht fordern, nicht deuten. Er wird einfach da sein – und wissen, dass du nichts tun musst.“

Das Frettchen richtet sich langsam auf, streicht sich das Fell zurecht und sagt leise:

„Dann habe ich mich wohl geirrt. Ich dachte, ich müsste… etwas zurückgeben. Mich beweisen. Aber das war dann wohl ein Tribut – kein Willkommen.“

Und so sitzen sie noch eine Weile im Sonnenlicht. Sie sprechen über kleine Glücksmomente, über den Wind in den Gräsern, und über das gute Gefühl, einfach nur da zu sein.



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